Warum wir pausenfreundliche Schulen brauchen
Lass uns eine Revolution starten:
Die Revolution von der pausenfreundlichen Schule!
Warum ist mir dieses Thema so wichtig?
Ich weiß: Nur, wenn ich voller Energie bin, kann ich die Lehrerin sein, die ich gerne sein möchte.
Nur wenn ich einen klaren Kopf habe, kann ich meine Schüler:innen so begleiten, dass ich am Ende des Tages stolz auf sie UND auf mich bin.
Dafür brauche ich Pausen. Eigentlich logisch, oder?
Und doch weiß ich, dass es in den meisten Schulen fast unmöglich ist, Zeit zu finden für erholsame Pausen.
Ich möchte das gerne ändern –
und dafür brauche ich dich und ganz viele andere Kolleginnen und Kollegen!
Um dich für die pausenfreundliche Schule zu begeistern, erzähle ich dir in dieser Folge,
- warum Schulpausen eine Mogelpackung sind
- wie andere Lehre:rinnen ihre Schulpausen erleben
- was mit uns passiert, wenn wir pausen-los durch den Schultag hetzen
- wie ich mir eine pausenfreundliche Schule vorstelle!
Du liest lieber? Bitteschön:
Wenn du den Podcast regelmäßig hörst, dann hast du von mir schon viele Anregungen bekommen, wie du Pausen in deinen Schultag integrieren kannst. (Schau mal unten in den Shownotes!)
Bei der pausenfreundlichen Schule geht’s aber nicht mehr nur um dich, dein Know-How über effektive Pausen. Um deine klare Absicht, im fordernden Schulalltag gut auf dich zu achten.
Das alles ist sehr wichtig, und mindestens genauso wichtig sind auch die Rahmenbedingungen deiner Schule, damit du überhaupt Zeit und Raum findest für deine Pausen!
Denn es ist verdammt anstrengend – und vielleicht sogar unmöglich, gut für dich zu sorgen, wenn dein Umfeld das nicht fördert oder zumindest respektiert.
Viele von uns erleben ihren Arbeitsplatz in der Schule aber eben genauso – sie haben ein schlechtes Gewissen, sich in dem ganzen Trubel einfach mal ein paar Minuten hinzusetzen und ihr Brot in Ruhe essen. Viele schaffen es ja noch nicht einmal, in Ruhe zur Toilette zu gehen. Und manche verstecken sich sogar, um mal ein bisschen Ruhe zu haben.
Und ich war in den letzten 10 Jahren auch an mindestens 100 Schulen unterwegs, die zwar schön gestaltet sind in Bezug auf die Schüler:innen – die aber nicht einmal die grundlegendsten Bedürfnisse von uns Lehrkräften erfüllen.
Ich finde, das muss sich unbedingt ändern! Deshalb sage ich: Wir brauchen endlich pausenfreundliche Schulen.
So eine Revolution kann ich nicht alleine starten. Ich brauche dich und ganz viele andere Kolleg:innen, die genauso überzeugt sind, dass das wichtig ist.
Um dich für die pausenfreundliche Schule zu begeistern, stelle ich erstmal die grundlegende Frage:
Warum sind Pausen im Schulalltag denn soooo wichtig? Unverzichtbar?
Reicht es denn nicht auch, wenn wir uns mittags / nachmittags nach der Schule ausruhen? Oder am Wochenende?
Was meine ich überhaupt mit „Pause“?
Pause ist ja eigentlich die Zeit, in der etwas ruht, nicht stattfindet oder nicht getan wird.
Pause, das heißt: Zeit für Regeneration, Abschalten, Umschalten, Nichtstun.
Morgens in der Schule gibt’s ja jede Menge Pausen – aber das echte Pausenfeeling gibt‘s nur für unsere Schüler:innen.
Für uns Lehrer:innen bedeutet „Pause“ im schulischen Kontext erstmal einfach nur:„Die Zeit zwischen zwei Unterrichtsstunden – vom Klingeln am Ende der einen Stunde bis zum Klingeln, das den Beginn der nächsten Stunde ankündigt.“
Mit viel Glück kannst du als Lehrerin in dieser Zwischenzeit ein bisschen was unterbringen, was deiner Erholung und Regeneration dient.
Deshalb sage ich:
Schulpausen sind eine Mogelpackung!
Nicht überall, wo Pause draufsteht, ist auch Pause drin.
Und ich wollte mal wissen, ob ihr das genauso erlebt wie ich. Deshalb habe ich eine Umfrage gestartet: Was tust du am häufigsten in deiner Schulpause?
Fast 500 Kolleg:innen haben teilgenommen, das Ergebnis siehst du hier:
“Entspannen” – der eigentliche Sinn von Pause – landet auf Platz 10!
Ganz vorne: Aufsicht führen, Gespräche mit SuS, Kopieren und Raumwechsel. Zum Glück auch Toilettenbesuch, Essen & Trinken.
Entspannen auf Platz 10 … Schulpausen haben definitiv nichts zu tun mit Regeneration, Abschalten, Umschalten, Nichtstun.
Das Problem: Die meisten akzeptieren das einfach so. Sie nehmen es wie eine unveränderliche Tatsache hin: So ist Schule halt. Den anderen geht’s auch nicht besser. Das muss man eben aushalten. Dann spare ich mir das Ausruhen halt fürs Wochenende auf.
Oder wir vergleichen uns mit Leuten, die in anderen Berufen arbeiten und da auch nicht ordentlich Pause machen können.
Oder es wird das Arbeitsrecht zitiert, das tatsächlich aussagt, dass uns eine Pause erst nach 6 Stunden Arbeitszeit zusteht. Wenn ich also um 7 Uhr in der Schule starte, dürfte ich rein rechtlich erst um 13 Uhr meine erste Pause einlegen.
Unterrichten ist nicht irgendein Job, sondern eine extrem anspruchsvolle Arbeit, bei der du permanent hochkonzentriert sein musst. Nicht umsonst wird diese Tätigkeit mit der Arbeit von Fluglotsen verglichen – denn ebenso wie ein Fluglotse bist du die ganze Zeit aufmerksam und triffst wichtige Entscheidungen: Hier mal eine Untersuchung dazu:
„Lehrerinnen und Lehrer haben in einer Unterrichtsstunde bis zu 200 Entscheidungen zu treffen und dabei im Durchschnitt 15 “erzieherische Konfliktsituationen” zu meistern. Bei fünf Unterrichtsstunden sind das ungefähr 1000 Entscheidungen und 75 erzieherische Konflikte.“
Gesundheit-am-Arbeitsplatz-Schule_Kretschmann.pdf (diekleinepause.de)
Wahnsinn, oder? Da passt der Vergleich mit den Fluglotsen. Aber in Bezug auf Pausen gibt’s da einen wesentlichen Unterschied:
„Fluglotsen dürfen maximal zwei Stunden am Stück arbeiten und müssen danach eine halbe Stunde Pause einlegen – die zählt als Arbeitszeit.“
Beruf Fluglotse: „Das Einstiegsgehalt geht bei 85.000 Euro los“ – DER SPIEGEL
Dass wir nicht verpflichtet sind, genau so häufig Pausen einzulegen – ja, dass es überhaupt nicht vorgesehen ist für uns, das spiegelt wider, wie wenig Wertschätzung für die hochkomplexe Tätigkeit des Unterrichtens da ist.
Dabei spielt es übrigens keine Rolle, ob die Unterrichsstunde gut läuft und du mit deinen SuS in einen richtigen Flow kommst – oder ob es eine von den Stunden ist, in denen alles schief geht und deine SuS nerven – beide Varianten sind hochkomplex und anspruchsvoll.
Und dein ganzes Nervensystem braucht nach einem Flow ebenso dringend eine Pause wie nach einer Fruststunde.
Pausen sind kein unnötiger Luxus.
Aber bekommst du die Pause? In der Regel nicht.
Wenn wir nach einer oder zwei Stunden Hochkonzentration rauskommen aus dem Klassenzimmer, geht’s für uns genauso anstrengend weiter: Um uns herum ist es weiterhin laut, wir sind pausenlos in Interaktion mit anderen, müssen reagieren, antworten, entscheiden und organisieren.
Psychologe Michael Mehrgardt hat beschrieben, was mit uns passiert, wenn das stundenlang aushalten müssen:
„Crowding“ führt zu einer andauernden sensorischen Überstimulation, welche die physiologischen Parameter nachhaltig in die Höhe treibt. Der Lehrer kann sich diesem nicht entziehen, auch „Pausen“ finden in Ansammlungen von Menschen statt. Dies erfordert ständige physische, psychische und geistige Arbeit und verbraucht Energie.“
#64 Überleben im Schulalltag – die kleine Pause
Um in so einem Schulalltag zu überleben, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als unsere Körperwahrnehmung abzuschalten. Wir fühlen dann gar nicht mehr, wie es uns geht, dass wir müde sind, genervt, angespannt. Erst mittags oder nachmittags, wenn wir nach Hause kommen, sind wir total erschöpft, wollen am liebsten nur noch schlafen.
Das alles sind keine persönlichen Befindlichkeiten oder die Wahrnehmung einzelner Lehrer:innen.
Studien zeigen, dass sich über 80% der der Lehrkräfte stark belastet fühlen durch die fehlende Möglichkeit, sich in der Schulpause zu erholen.
In den steigt Pausen die Pulsfrequenz von Lehrkräfte sogar an- ein klares Anzeichen für die hohe psychophysische Belastung in Schulpausen.
Pausen-los durch den Schultag – was passiert da mit mir?
Ich mache einen anstrengenden und anspruchsvollen Job.
Ich habe keine oder wenig Möglichkeiten, im Rahmen meiner Arbeitszeit angemessene Pausen zu machen.
Das führt dazu, dass meine Anspannung im Laufe eines Schulmorgens immer mehr steigt.
Das hat kurzfristig und langfristig Auswirkungen auf meine Gesundheit:
Stresserkrankungen sind laut WHO die Gesundheitsgefahr Nr. 1.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Migräne, Schlafstörungen, Tinnitus, Burnout, … das ist eigentlich schon dramatisch genug.
Und was mindestens genauso dramatisch ist:
Wenn wir im Stressmodus sind, dann sind wir nicht lösungsorientiert. Dann sind wir nicht wirklich offen für unsere Schüler:innen. Dann sind wir nicht in der Lage, flexibel und vielleicht sogar mit Humor auf all das zu reagieren, was uns so im Laufe eines Schultages begegnet.
Kurz gesagt: Wenn ich in meinem Schultag keine Pausen machen kann, dann kann ich nicht die Lehrerin sein, die ich sein möchte.
Leute, unser Job ist nicht irgendein Job! Auch, wenn dir das vielleicht nicht jeden Tag bewusst ist: Mit deinem Unterricht gestaltest du die Zukunft mit!
Die Art und Weise, wie du mit deinen Schüler:innen umgehst, ob und wie du sie inspirierst, das wird sie prägen.
Ganz nach meinem Leitspruch:
Happy teachers change the world.
Das ist eine riesengroße Verantwortung, die du trägst. Die wir da alle gemeinsam übernommen haben, als wir diesen Job gewählt haben. Und wenn uns das wirklich klar ist, welche große Chance darin liegt, wenn wir unsere Arbeit voller Energie machen, dann ist doch auch klar, dass wir uns für pausenfreundliche Schulen stark machen müssen! Dass wir aufhören müssen zu glauben, dass Pausen in unserem Schultag keinen Platz haben.
Was meine ich mit pausenfreundlicher Schule?
Eine pausenfreundliche Schule
… ist ein Lebensraum, an dem ich mich wohlfühle
… ist ein Ort, an dem meine grundlegenden Bedürfnisse respektiert werden
… ist eine Gemeinschaft, in der der Wert von Pausen geschätzt wird
… versteht Pausen als einen selbstverständlichen Bestandteil des Schulmorgens
… hat Zeiten und Räume für erholsame Pausen
… und bestimmt noch vieles mehr!
Und nun? Wie starten wir die Revolution?
Jetzt hast du vielleicht bis hierher gelesen und denkst: Na toll, meine Schule ist überhaupt nicht pausenfreundlich. Wie soll ich das jemals ändern?
Oder du sagst: Na klar, an meiner Schule fühle ich mich richtig wohl. Da passiert schon ganz viel Pausenfreundliches.
Egal, wie’s bei dir aussieht: Ich brauche dich! Deine Fragen, deine Ideen, deine guten Beispiele. Ich möchte von dir wissen: Was nervt dich? Was würdest du gerne ändern? Was wünschst du dir? Und wo gibt’s Vorbilder?
Schreib all das gerne in die Kommentare.
Und es gibt tatsächlich schon ein paar Ideen für pausenfreundliche Schulen!
Hier findest du sie: 10 Tipps aus der „Ideenschmiede Pausenfreundliche Schule“.
Shownotes zu Folge 88 – Pausen-los durch den Schultag:
Podcast: Embodiment gegen den Schulstress